Günter Ludwig

Der Zeichner und Maler Günter Ludwig gehört zu den Künstlern, die für Zugeständnisse nichts übrig haben. Radikal authentisch und ohne Kompromisse muss es zugehen, wenn er seine Wirklichkeit der wahrgenommenen Dinge auf die Leinwand bringt und sich auf diese Weise mitteilt. Die Beschäftigung mit dem Menschen, der Natur und den Elementen – Erde, Kohle oder Pflanzen – reizt ihn dabei ebenso wie die Auflösung herkömmlicher Betrachtungs- und Darstellungsformen.

Texte von Daniela Fleischhauer aus dem Buch „Kohlespuren“

Günter Ludwig experimentierte mit Kohlestaub und Ockerschlamm und schuf über 40 groß-bis kleinformatige Zeichnungen und Bilder unter dem Titel „Kohlespuren“. Vielleicht waren die Annäherung an das Thema und der intensive Umgang mit dem Material von unter Tage aber auch nur eine Frage der Zeit gewesen, denn die Kindheit verbrachte er im von der Stahlindustrie geprägten Peine, wo ihn die Kohle und Glut im dortigen Walzwerk schon frühzeitig in irgendeiner Form gefangen genommen haben, wie er sagt.

Auch das Element Erde fühlte sich für ihn seit jeher gut an. Als Junge grub er deshalb mit Vorliebe tiefe Löcher. ,,Ich hatte früh diesen Hang zur Erde, zum Buddeln und Anpacken. Nicht etwa zum Tod, aber eben zur Erde“, erinnert er sich. Obwohl Tod, Abschied und Trennung in späteren Jahren mit all ihrer Wucht in sein Leben traten und dadurch phasenweise schließlich auch in seiner Kunst ihre Verarbeitung fanden.

Die erste große Quelle der Faszination und Inspiration für den Jungen Günter Ludwig waren jedoch die Berichte über Rembrandt und andere Malergrößen, auf die er beim Durchblättern der „Reader’s Digest“-Hefte seines Vaters stieß. ,,Das hat mich fasziniert. Ich wollte wissen: Wie malt man so?“, erzählt Günter Ludwig.

Er selbst malte seine ersten Bilder auf dem Dachboden und verwendete dafür Lackfarben, mit denen gewöhnlich Zäune gestrichen werden. Bereits damals, mit etwa 13 Jahren, bewies er dabei ein Faible für Fläche und schuf bis zu zwei Meter große Arbeiten. Dem folgten erste Versuche, Impressionisten wie van Gogh zu kopieren. Auch das schnelle Zeichnen reizte Günter Ludwig. Er trainierte es, indem er kurze Blicke in Zeitschriften warf, sie wieder zuklappte, sich die Linien in Erinnerung zu rufen versuchte und sie auf dem Zeichenblock wiedergab.

Ohnehin ist das Zeichnen, zu dem er sich bereits in der ersten Klasse hingezogen fühlte, im Vergleich zum Malen „viel wichtiger“ für ihn. ,,Man kann sich unmittelbarer ausdrücken. Malen ist dagegen ein Arbeitsprozess.“ Dennoch verschrieb er sich beidem, malte und zeichnete abwechselnd und fertigte ab 1975 zusätzlich Radierungen an. Seine Bilder versah er dabei häufig mit verbalen Zusätzen, mal prosaischen, ein andermal strophischen. Es sind Marginalien, die sich ihm aufdrängen und das Werk ergänzen wollen.

Von Mitte bis Ende der 80-er Jahre gab Ludwig dann der Schwarz-Weiß-Fotografie vorübergehend den Vorzug, ehe Ereignisse wie Tod und Trennung Zäsuren in seinem privaten Leben darstellten. In Form von dicken, schwarzen Strichen und Verdichtungen verlieh er seinen Empfindungen auf der Leinwand Ausdruck, brachte auch Kreuzigungsszenen zu Papier und verarbeitete auf diese Weise.

„Computerdruckgrafik“ hieß dann ab den 90-er Jahren das Zauberwort, wobei Günter Ludwig Bilder und Filme aus der Sicht des Zeichners digital erstellte und seine Arbeiten mehrfach ausstellte. Er nutzte dafür sämtliche neuen gestalterischen Computer-Möglichkeiten, die die Bild-und Filmbearbeitung revolutioniert hatten.

1992 begann er wieder verstärkt zu zeichnen: Zum Teil noch immer Leidensbilder mit schemenhaft, abstrahiert auf das Papier geworfenen Menschen. 2004 wandte er sich schließlich wieder voll und ganz dem Zeichnen zu, setzte sich ein Thema, an dem er ein Jahr arbeitete. Jeglicher Form von Kitsch und Profanität erteilte er allerdings eine klare Absage.

Stattdessen löste er etwa bei der Auseinandersetzung mit dem Thema „Blume“ das Bild von rotem Mohn aus seiner natürlichen Darstellung, dem fotografischen Kontext, vollkommen heraus und ließ herkömmliche Formen verschwinden.

Er erweiterte das Betrachtungsspektrum sogar um erotische Assoziationen, bevor er mit roter Pastellkreide sowie schwarzem und weißem Stift seine ganz eigenen Formen auf das Papier holte. ,,Ich bin dann praktisch Mohn, sehe nur Mohn“, beschreibt er das intensive Eintauchen in den künstlerischen Schaffensprozess.

Diese losgelöste Sichtweise, weg von der klassischen Wahrnehmung, findet ihre Parallelen im Zen-Buddhismus. Im Zentrum dieser Glaubensrichtung stehen die Versenkung und Meditation sowie die Betrachtung der Dinge von innen her.

Ein Jahr später rückte erneut das Thema „Abschied“ in den Mittelpunkt von Ludwigs Arbeit, dieses Mal jedoch ganz bewusst und gezielt:

Über das Internet startete er den Aufruf, Texte zu seinen zwischen den 70-er und Anfang der 90-er Jahren entstandenen Zeichnungen, Radierungen und Fotografien zu schicken. 115 Autoren aus Deutschland, Schweden, Italien, Österreich und der Schweiz folgten der Bitte und überließen ihm Gedichte und Geschichten um Tod, Schmerz, Trauer und Verletzung, aber auch um Trost und das aufkeimende Gefühl von Unvergänglichkeit in folge des Sich-Erinnerns an Menschen, Erlebnisse und Augenblicke.

Im folgenden Jahr beschäftigten ihn die „Kohlespuren“ und die Arbeiten für das im Sommer 2007 veröffentlichte Buch mit der Autorin Sarah lnes. Es trägt den Titel „Liebe geht durch die Haut“ und enthält einmal mehr erotische Zeichnungen und Texte. Auch vom nächsten Thema hat Günter Ludwig bereits eine klare Vorstellung. Dann will er sich ausschließlich auf Porträts konzentrieren. Auch dabei wird er sich wieder auf keine Konzessionen einlassen, wie er es auch in seinem gesamten bisherigen Künstlerleben nie getan hat. Um sich diese Freiheit leisten zu können, arbeitete der Produktdesigner neben dem Zeichnen und Malen in seinem „ normalen“ Beruf, …

„… weil ich in der Kunst kompromisslos und authentisch bleiben möchte.“

Günter Ludwig

Jahrgang 1950.
Studium Maschinenbaukonstruktion und Industriedesign.
Stipendium Atelierhaus Worpswede für Handzeichnung und Druckgrafik.
Seit 1975 Maler, Zeichner, Fotograf, Kommunikations- und Produktdesigner.

Digital illustriertes Märchenbuch „Welt Licht Märchen“ aus der Sammlung von Dr. Alfred Schröcker.
Seit 2007 Autor des „Storia Verlages“ München; Zusammenarbeit mit Autoren und Künstlern.
2007 Gedichtband „Liebe geht durch die Haut“. Sarah lnes schreibt 52 Gedichte zu erotischen Zeichnungen.

Über 80 Ausstellungen in Europäischen Ländern, Projektarbeiten.